Ulrich Eller

"Meine Arbeiten sind von der Art eines kompositorischen Spiels, nicht im Sinne von Tonlagen, Akkorden und Tempi, sondern als Dialog zwischen Material, Form und Klang.? (Ulrich Eller)

 

Entwicklung

Der Bildhauer, Zeichner und Klangkünstler Ulrich Eller gehört zur ersten Generation der noch jungen Kunstform Klangkunst. 1953 in Leverkusen geboren, lebt er, Professor an der Hochschule der Bildenden Künste Braunschweig, auf einem alten großen Bauernhof in Dithmarschen an der Nordsee. Die Verbundenheit mit der Natur spiegelt sich in seiner Kunst. Unmittelbar und ohne High Tech ist das Erscheinungsbild seiner Arbeiten in Zeichnung und Skulptur. Tonnenschwere Steine, Kanister, Wetterballons, Signalhörner werden von Eller mit Klang gefüllt, aber er lässt auch Gänsedaunen tanzen. Ebenso finden sich maritime Spuren in Form von allerlei Meeresschneckenhäusern in Verbindung mit dem akustischen Rauschen von Straßen und Städten. Aktuelle Arbeiten wie Gelenkte Resonanz (2008) in Flensburg 2008) oder Hör Mal (2009) im Landschaftspark Hermanshof Springe-Völksen, bei Hannover sind permanent klingende Installationen aus Edelstahl und Aluminium im Außenraum.

 

Modifizierte Instrumente

Ulrich Eller studierte bei Herbert Kaufmann an der Hochschule der Künste Berlin. Hier festigte sich sein zeichnerisches Können, das auf dem Feld der Klangkunst in seinen abstrakten musikalischen Notationen einzigartig ist. Gleichzeitig experimentiert er seit den späten 1970er Jahren mit ausrangierten Instrumenten und fotografiert Landschaften und Steine. Er, der als Blues-Gitarrist im Berlin der 1980er Jahre wirkte, erkundet Instrumente und deren Innenräume. Phänomene des Zusammenwirkens von Schwingungsformen und Resonanzkörpern, von Erreger und Verstärker ergeben sich aus der künstlerischen Praxis. Körper von Klavieren werden zerlegt und das so gewonnene Klavier-Material musikalisch bespielt. Seine Konzertsäle sind nun Sporthallen, Eisstadien und leere Fabrikhallen. Hier wurden bis in die 1990er Jahre Klavierrahmen mit komplettem Saitensatz auf die Bühne gebracht, verstärkt und so als neuer Klangraum präsentiert. In solchen Konzerten wurden auch wertvolle Elektrogitarren, auf dem Boden liegend, mit Flusskieseln bespielt.

 

Bühne ? Alltag

Eller ist ein passionierter Sammler von Treibgut und Muscheln. Auch kleinste Muscheln werden von ihm als Resonanzräume und natürliche Verstärker eingesetzt. Eller erkennt: Größe und Material von Räumen prägen ihren Eigenklang. Die Bühnen seiner Konzerte verlässt Eller Anfang der 1990er Jahre. Er findet neue Räume in denen sich seine Klangwelten frei entfalten. Von Außerhalb, der Titel einer Arbeit, die im Cultural Center in Chicago 1995 entstand. Eller verbindet den Außenraum der Straße mit dem Galerieraum. Das Fenster der Galerie wird zum Filter. Sehen und Hören. Bewegung und Klangereignisse werden abgekoppelt. Hohlkörper aus Glas, in ein Wandobjekt eingelassen, sind mit kleinen Lautsprechnern bestückt. Sie funktionieren als Resonatoren. Aus ihnen klingen verfremdete Geräusche der Straße. Eller entkoppelt das gewohnte Sehen und Hören und verlegt den Lärm der Straße in die Volumina der kleinen Kolben. Straßen zwischen Chicago, Kyoto und Montréal liefern dem reisenden Künstler die Impulse, die an Gebäuden reflektieren und nun mit künstlerischen Kommentaren versehen werden.

 

Materialforschung

Schiffscontainer, Snaredrums, Eisenschränke, Papiertüten, Muscheln, Flusskiesel und große Findlinge, Gartenrechen, Klaviere, E-Gitarren und koreanische Miniaturlautsprecher sind das Material aus denen Eller in der Vergangenheit seine Objekte entstehen ließ. Er interessiert sich für Veränderungen und Bearbeitungen von Instrumenten. Vor allem Tonabnehmer sind es, die mit Metallzinken von Gartenrechen und anderem Werkzeug kombiniert werden. Mit diesen Objekten werden Oberflächen von Fenstern, Steinen und Papieren abgetastet und klanglich übersetzt. Eller verwandelt Innenräume und entlockt jedem Raum einen Klang, seinen Eigenklang. Ein Künstler als Forscher, der unbekannte Wirklichkeiten freilegt und dabei Verhältnisse von Masse und Klang, von Innenraum und Bewegung zum Thema macht.

 

Landschaft

In den 1990er Jahren wurde ein Monolith in Gestalt eines ca. 10 Tonnen schweren gelbbraunen Granitblocks aus der Nähe von Bad Segeberg wegen seiner Färbung und seiner skulpturalen Beschaffenheit ausgewählt und in ein klingendes Objekt verwandelt. Der Brocken - in seiner Längsachse oder Horizontallinie aufgeschnitten - wurde Skulptur: Hörstein. In die so gewonnenen Flächen wurden Mulden für Lautsprecher gefräst, beide Steinhälften dann wieder aufeinander gesetzt. Wie ein Krater zog sich die Linie über die Oberfläche des Steins. Die Geräusche der Steinsäge brachten das klangliche Material, das zur Grundlage einer Komposition wurde. Und so erklingt aus dem Inneren des Steins die Geschichte seiner Zerteilung, die sich über mehrere Tage hinzog. Das klingende Objekt lockt seitdem viele Besucher in den Landschaftspark des Springhornhofes in der Lüneburger Heide. Sie alle, Jung und Alt, fassen den Hörstein an, um zu überprüfen, dass es sich tatsächlich um einen schweren großen Stein handelt, dessen Klänge ihn doch so leicht zu machen scheinen.

 

Christoph Metzger

 



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